Hafer in der Pferdefütterung
- Carolin

- 31. Aug.
- 9 Min. Lesezeit

Skandalumworben ist dieses Futtermittel, könnte man wohl sagen. Es gibt die wildesten Behauptungen, was der Hafer alles für schlechte Eigenschaften haben soll.
Der Hafer soll für wilde, kopflose, aufgedrehte und unberechenbare Pferde sorgen. Das Futtermittel würde man heute nicht mehr einsetzen, da er zu Kopf steigt, hört man immer noch oft.
Es sei zu viel Eiweiss für das Pferd, Müslimischungen seien zu bevorzugen. Gemäss einzelner Meinungen soll er sogar Hufrehe und andere Stoffwechselprobleme verursachen, da er zu viel Stärke enthalte.
Die Aufzählung hier ist sicherlich nicht abschliessend, was viele Behauptungen gemeinsam haben, sind wilde Spekulationen. Wirft man das Thema bei Pferdeleuten in den Raum, sind sich viele einig – ja kein Hafer.
Es ist im Trend für jedes "Problem" ein Futtermittel zur Hand zu haben und die Pferdeleute sind froh im Laden etwas für "ihr Problem" gefunden zu haben. Offenbar beruhigt es das Gewissen unheimlich.
Die Folgen dieser unglaublich vielen Mischfutter und Zusätze sind leider kein gesundes Pferd.
Ich habe nicht nur seit Jahren viele Futter getestet und Kund*innen, die Erfahrungsberichte aus erster Hand bei mir platzieren – ich sehe auch
direkt am Pferd die Folgen dieser Futtermittel (siehe auch Bericht B.). Das grösste Problem sind qualitativ mangelhafte Füllstoffe in den Futtermitteln, schwer verdauliche Zusatzstoffe und Streckmittel und viel unnötiger Zucker.
Es wird dem Kunden bewusst schwer gemacht wirklich gesunde Futtermittel kaufen zu können. Bei meinen Recherchen habe ich (in der Schweiz) kein Müsli-Mischfutter gefunden, das nicht im Minimum eine Zutat hatte, die als kritisch einzustufen war.
Die Futtermittelindustrie boomt, es wird Geld gespart wo es möglich ist und Tierfutter ist noch immer häufig Zweit- oder Ausschussware. Zudem müssen einzelne Stoffe nicht zwingend angegeben werden. Bei pelletierten Futtermitteln haben wir manchmal schön glänzende und richtig harte Pellets, oft ein Hinweis auf schwere Verdaulichkeit und Milchsäurebakterien, die zur besseren Pelletierung gerne zugegeben werden, ein Abfallprodukt aus der Käse- und Milchproduktion. Auf der Packung steht dies nicht. Milchsäurebakterien haben nichts im Magen-Darm-Trakt des Pferdes zu suchen, sie bringen die Darmflora aus dem Gleichgewicht und sorgen für Fehlgärungen. Nicht selten ist "speziell magenfreundliches" Futter für Pferde mit Magengeschwüren genauso komplett pelletiert. Ein Test zur Löslichkeit der Pellets lohnt sich immer, 20 min. in handwarmes Wasser einweichen. Sind sie völlig aufgelöst, ist das in Ordnung, bestehen immer noch harte Brocken, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die Magenschleimhäute davon gereizt werden können.
Ich werde noch andere Artikel zur Wirkung von mangelhaften Futtermitteln erstellen. Hier soll es ja eigentlich um die Eigenschaften des Hafers in der Pferdefütterung gehen. 😊
Der Hafer ist im Gegensatz zu fertigen Müsli-Mischungen ein Einzelfuttermittel. Sprich im Sack ist nur Hafer und nichts anderes. Somit habe ich die volle Kontrolle wie viel ich gebe und was auch wirklich im Pferd ankommt. Bei Müslimischungen wird meistens ein pelletiertes Mineralfutter in verhältnismässig geringer Dosierung zum Gesamtfuttervolumen beigemischt. Hat mein Pferd nun einen höheren Mineralfutterbedarf, muss ich von der ganzen Mischung mehr füttern und kann nicht gezielt unterstützen. Oder ich muss ein zusätzliches Mineralfutter kaufen.

Der Hafer hat viele Eigenschaften, die bei Pferdeleuten nicht (mehr) so bekannt sind. Das Pferd kann das Eiweiss vom Hafer von allen Getreidesorten am besten verdauen.
Warum ist das so? Weil die enthaltene Stärke zu 90% bereits im Dünndarm verdaut wird und der Dickdarm damit entlastet wird. Hafer hat im Gegensatz zu anderen Getreidesorten einen erhöhten Rohstoffgehalt und ist damit für das Pferd verdauungsfreundlicher. Hier ein Vergleich mit Gerste:

Er sollte zur besseren Aufnahme möglichst frisch gequetscht verabreicht werden und mit etwas Wasser angefeuchtet sein. Wenn es sich einrichten lässt, ist es von Vorteil, wenn der Hafer dreissig Minuten quellen kann, bevor er gefressen wird. Im Gegensatz zu Gerste verursacht er beispielsweise keine Blähungen und beruhigt die Verdauung. Hafer hat schleimbildende Eigenschaften und entlastet damit auch die Magenschleimhäute. Er beschleunigt allgemein den Stoffwechsel und regt die Verdauung an. Der Hafer enthält eine gute Dosis Phosphor, der für den Zellstoffwechsel dringend benötigt wird. Der Hafer wirkt entschlackend und entwässernd, Wassereinlagerungen können ausgeschwemmt und abgebaut werden. Durch die beschleunigte und verbesserte Verdauung wird das Hornwachstum und die Hornqualität der Hufe verbessert. Mit der Gabe des Hafers fallen vorher vorhandene Blähungen und dicke Bäuche weg, da das Futter schneller im Darm transportiert wird. (Das ist gerade auch bei Pferden mit verordneter Boxenruhe oder Pferden, die sich wenig bewegen ein Gamechanger. Durch die angeregte Verdauung lassen sich Koliken besser vermeiden). Noch unterstützt wird der Effekt, wenn das Pferd genügend tägliche Bewegung hat und vor allem genug Heu und Hafer, damit die Gesamtmenge stimmt. Hat das Pferd zu wenig Masse im Darm, wird die Verdauung träge und Blähungen aus Fehlgärungen sind häufiger, oft begleitet von Übersäuerung. In den fast 20 Jahren, seit ich Hafer als Futtermittel einsetze, kann ich immer beobachten, dass Pferde mit der Haferfütterung satt werden. Sie hören von selbst auf hastig zu fressen und andere Futter wie Heu oder Gras auf der Weide hektisch zu fressen. Sie sind allgemein zufriedener und werden ruhiger. Ein sattes Pferd kommt zur Ruhe und legt sich auch länger zum Schlafen hin. Es ist zu beobachten, dass sie in der Arbeit lauffreudiger werden, in erster Linie vor Erleichterung keine Verdauungsbeschwerden mehr zu haben und nicht weil der Hafer sie auf irgendeine Weise wild macht. Wir wissen selbst wie unangenehm ein Blähbauch sein kann, vor allem Frauen sind öfter davon betroffen.
Es ist also durchaus naheliegend, dass ein Pferd mit Darmbeschwerden gedämpfter wirkt und erleichtert ist, wenn die Situation sich verbessert. Die Pferde wirken dann wacher, sie werden aber nie kopflos oder stürmisch, weil sie Hafer bekommen.
Damit sich Pferdebesitzende mit Zweifeln herantasten können, empfehle ich oft mit einer geringen Menge zu starten, damit sie besser verstehen können, was sich schrittweise im Pferdekörper ändert. Nach und nach erreichen wir dann die eigentliche Futtermenge. Die Fütterung von Hafer ist auch nicht rasseabhängig, wie es von verschiedenen Seiten noch immer behauptet wird. Nicht jedes Pferd hat denselben Energiebedarf, das ist bei uns Menschen übrigens genauso. Das hat aber nichts mit der Rasse zu tun, es ist eher eine Typfrage und muss individuell bestimmt werden.

Eiweissarme Fütterung ist im Trend, da auch diese Fütterungshypothese sich wacker hält. Es gibt aber einen Unterschied zwischen gesunden und ungesunden Eiweissen und auch zwischen zu viel und zu wenig. Ein Pferd braucht eine gewisse Menge Eiweiss, um genügend Muskelmasse aufrecht erhalten zu können. Ist die Menge zu klein, baut das Pferd Muskeln ab, die es wenig braucht. Das ist nicht der Effekt, den ich für mein Pferd möchte. Zu wenig Muskelmasse ist nie gesund, da dadurch Imbalancen entstehen, die den gesamten Pferdekörper betreffen. Insbesondere das Reitpferd sollte ein gutes Muskelkorsett haben, damit es uns überhaupt tragen kann, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Aber auch ältere Pferde sind darauf angewiesen genug Eiweiss zur Verfügung zu haben, sonst verlieren sie sehr schnell an Muskelsubstanz. Diese muss aber insbesondere im Alter gepflegt werden, um das Pferd so lange wie möglich mobil zu halten. Die Eiweisse im Hafer sind reich an lebenswichtigen Aminosäuren, andere Getreidesorten kommen an diesen Wert nicht heran. Er liefert auch mit ca. 30mg pro Kilo eine sichere Vitamin E Quelle und enthält mehr Vitamin B1 als andere Getreidesorten. Nicht zuletzt deshalb profitieren auch ältere Pferde von der Haferfütterung.
Siliertes Futter, wie Heulage oder mit Schimmelsporen belastetes Grundfutter erschweren die Arbeit der Leber erheblich.
Die körpereigene Eiweissynthese wird durch die eingeschränkte Leberfunktion gehemmt, der Muskelaufbau kommt zum Erliegen. Was die Leber belastet sind künstliche Futterzusätze, Arzneimittel, Impfungen, Wurmkuren, Konservierungsstoffe und natürlich Stress jeglicher Art.
Der Hafer hilft sehr gut dabei das richtige Mass zu finden. Er hat die Eigenschaft "Löcher" zu füllen. Was auf den ersten Blick vielleicht schwer verständlich klingt, aber gerade bei kantigen Pferden oder solchen mit Muskellöchern auffällt, dass diese kantigen Strukturen relativ schnell rund werden und Muskellöcher sich füllen. Hafer ist ja eher entschlackend und aber auch Muskel-Substanz gebend. Das ist dann kein aufgeschwemmtes Gewebe, sondern gesunde und ehrliche Substanz. Siehe auch hier nochmals die Bilder von B. in meinem anderen Beitrag. (Fallbeispiel - Gewebswasser / Einlagerungen beim Pferd) Pferde werden durch Hafer nicht belastet. Zudem nehmen sie nicht mehr als sie brauchen, vorausgesetzt sie sind gut mineralisiert. Ein Mineralmangel kann zu schlingendem Fressverhalten führen und zu Pferden, die sich vor Heuraufen parkieren. Solange das Pferd genügend Heu täglich zur Verfügung hat, im Schnitt sind das 8-10kg pro Pferd, ist eine Fütterung von bis zu 5kg Hafer z.B. bei Sportpferden ohne Probleme möglich. Ein Freizeitpferd braucht sicher nicht so viel.
Ein geeignetes Mineralfutter ist in Kombination mit einer Haferfütterung das Goldwert Nr. 4 von Dr. Weyrauch. Im Selbsttest am Pferd und auch bei mir selbst (ja, das Präparat gibt es auch für Menschen) habe ich festgestellt, dass ich schon nach 3-4 Wochen einen ersichtlichen Effekt habe und das mit nur einem Drittel der empfohlenen Menge. Du kannst es hier bestellen https://tidd.ly/41cRBPp
Der Hafer in der Pferdeernährung ersetzt teilweise die eingeschränkten Weideflächen, deren Qualität als Nahrungsquelle und auch Heu mit geringem Nährstoffgehalt.
Hafer enthält verhältnismässig viel Mangan. Mangan ist ein Spurenelement, dass das Pferd in relativ hoher Menge benötigt. Mangan sorgt für ein stabiles und gut regenerierbares Bindegewebe. Im ganzen Körper benötigen wir also Mangan, für gesunde Faszien, Sehnen und Bänder. Aber auch Organe bestehen zu einem Teil aus Bindegewebe oder/und werden durch dieses an Ort und Stelle gehalten. Daneben ist Mangan unerlässlich für einen gesunden Leberstoffwechsel, der gerade bei Sportpferden besonders gepflegt werden sollte.
Mangan kommt natürlicherweise im Boden vor und Pferde können es über Pflanzen aufnehmen, die auf manganhaltigen Böden wachsen. Das gilt sowohl für die Weide als auch fürs Heu. Allerdings erlauben viele Betriebe oder Pferdehalter ihren Pferden nur noch sehr beschränkten Weidegang. Siehe dazu meinen Artikel zur Pferdeweide: Die Pferdeweide – worauf man achten sollte. Entsprechend wenig Mangan wird aufgenommen. Der Nährstoffgehalt im Heu ist seit Jahren rückläufig und beträgt noch ca. 30% von dem von vor über 100 Jahren. Das Heu stellt damit leider ebenfalls keine verlässliche Quelle mehr dar. Oft lassen wir auch keine Bodenanalyse durchführen mit dem Ziel den Mangangehalt zu bestimmen.
In Mischfuttern (Müslis) wird Mangan zur Verfügung gestellt, allerdings als Teil des zugeschlagenen Mineralfutters, dass fast ausschliesslich auf chemischer Basis ist und schlecht bis nicht aufgenommen werden kann. Es gibt abgesehen vom Hafer kaum natürliche Manganquellen, die dem Pferd gezielt angeboten werden können.
Auf Brottüten von Grossverteilern wird der Hafer angepriesen, denn er enthält ß-Glukane in seinen Zellwänden und diese haben einen positiven Einfluss auf den Insulinspiegel und den Darm. Auch der Gallefluss soll durch den Hafer verbessert werden. Was beim Menschen funktioniert, hilft auch dem Pferd, wenngleich dieses nicht über eine Gallenblase verfügt.
Eine reine Fütterung mit Getreideersatzprodukten in der Pferdeernährung ist möglich, allerdings hat sie sich gemäss meiner Erfahrungen in Kombination mit den heutigen Haltungsformen nicht bewährt. Auch nicht bei Pferden mit PSSM/EMS/ECS, etc.
Denn eine zu Calcium lastige Fütterung mit reichlich Raufutter und anorganischem Mineralfutter kann die Bioverfügbarkeit von Spurenelementen einschränken. Das führt dann bei vermeintlich gut mineralisierten Pferden zu nachhaltigen Mängeln, die wiederum bei hoher körperlicher Belastung auch zu Knochenbrüchen führen können. Pferde die ganzjährig auf einer sehr diversen riesigen Weidefläche stehen (min. 1 Hektar pro Pferd), die nicht gemäht wird, können ohne reiterliche Belastung sicher auch ohne Getreide auskommen. Sie können die fehlenden Nährstoffe durch die Grassamen, Ölfrüchte und Kräuter auf der Weide aufnehmen. Solche Weiden finden wir in Deutschland, der Schweiz oder Österreich aber fast nur noch in höheren Lagen auf Alpwiesen.
Wir haben die Möglichkeit auf Wiesenhäcksel, Esparsette oder Luzerne auszuweichen. Diese Produkte sind gut, wenn sie als Ergänzung angeboten werden, eignen sich aber nicht als langfristiges Grundfutter. Sie versorgen das Pferd nur einseitig mit Nährstoffen und belasten teilweise den Leberstoffwechsel erheblich bei der Gabe grosser Mengen. Lieber nimmt man das Geld für besseres Heu in die Hand, aber im Pensionsstall wird das schwieriger. Hier empfehle ich bei der Zugabe von getrocknetem Grünfutter abzuwechseln und z.B. etwas Esparsette oder Luzerne mit Wiesenhäckseln oder -Pellets zu mischen. Bitte immer mit reichlich Wasser einweichen. Futterpausen von mehreren Wochen sind aber immer empfehlenswert und z.B. Kräuterkuren, um den Stoffwechsel zu entlasten und Organe wie die Leber und Niere zu unterstützen. Raufutter ist dem pelletierten Futter immer vorzuziehen. (Cavale Schweiz bietet z.B. Esparsette als Raufutter an. Bitte bei Verfütterung anfeuchten).
Hafer als Futterpflanze kann auch als Grünhafer angeboten werden, diese enthält deutlich weniger Stärke als das Haferkorn, hat aber viele wichtige Spurenelemente und ist an sich eine gute Nahrungsquelle.
Nach meinen persönlichen Erfahrungen im Pferderennsport und auch im Freizeitbereich, macht es Sinn dem Pferd möglichst viele Nahrungsquellen anzubieten. Dabei ist der Hafer als Grundfutter kaum verzichtbar.
Genau sowenig wie ein gutes Mineralfutter, ohne künstliche Zusätze. Andere Futtermittel können die Rationen optimal ergänzen. Für eine individuelle Beratung für dich und dein Pferd schaue bitte auf meiner Webseite freehorse.ch vorbei.

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