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Was der Pferdehuf mit Gras zu tun hat - oder auch nicht.

Aktualisiert: 29. Juli

Grasendes Pferd
Grasendes Pferd

Es wird regelrecht als ungeschriebenes Gesetzt propagiert, dass man Pferden ja nicht zu viel Zugang zu Gras geben darf.

Wer die Wiese vor dem Weidegang nicht zuerst mäht, wird schräg angeschaut. Düngen ist verpönt, Giftpflanzenentfernung hoch im Kurs.

Die Angst ist ständiger Begleiter – das geliebte Pferd könnte an EMS, Cushing oder Hufrehe erkranken oder einfach nur "fett" werden.

Doch was ist wirklich dran an dem Hype oder soll ich sagen an der Angstmacherei. Denn inzwischen ist fast jeder und jede auf diesen Zug aufgesprungen.

Futtermittelhersteller bieten Spezialfutter für jede erdenkliche Futterunverträglichkeit an. Als Betroffener weiss man nicht mehr was man glauben oder kaufen soll. In den allermeisten Fällen folgt man dem, was die Stallkollegen sagen, und denkt die haben mehr Erfahrung, die werden wissen was gut ist. Der Gruppendruck ist hoch.


Woher kommt die Angst vor Gras?


Seinen Ursprung hat die Angst vor Gras in der Pferdehaltung bei Krankheitsbildern, die sich niemand so genau erklären konnte.

Bis heute wissen viele nicht wirklich, warum Pferde Hufrehe entwickeln. Warum diese in diversen Facetten zu Tage tritt. Es gibt die spannendsten Theorien, aber die wirkliche Ursache kennt fast niemand.

Der Zusammenhang mit dem Gras entstand, weil Hufrehe teilweise nach intensivem Weidegang sichtbar wurde. Kurzum wurde hier ein kausaler Zusammenhang hergestellt, der aber nicht ursächlich ist. Nur war auch kein anderer Grund auf den ersten Blick ersichtlich und es ist einfacher sich auf das Gras zu konzentrieren als Ursache als zuzugeben, dass man es nicht wirklich weiss. Ähnlich ist es mit moderneren Krankheitsbildern wie EMS oder Cushing. Wir wissen mittlerweile einiges über die Vorgänge im Körper und wie wir die "Erkrankung" feststellen können. Es gibt in seltenen Fällen auch echtes Cushing, dass durch einen Tumor verursacht wird. Aber die wirkliche Ursache der restlichen Krankheitsbilder wird oft nicht erkannt, geschweige denn angegangen. Wir begnügen uns damit den Pferden Tabletten zu verabreichen und den Zustand so hinzunehmen. Eine langfristige Verbesserung lässt sich in den allermeisten Fällen nicht tatsächlich erreichen. Die Situation für das Pferd wird oftmals noch verschlechtert, weil wir sie auf Diät setzen. Die Pferde dürfen nicht mehr auf die Weide mit den anderen oder erhalten die ausgeklügeltsten Maulkörbe. Sie bekommen stark reduziertes Futter, ein Kreislauf beginnt, der das Pferd ausmergelt und von aussen betrachtet schlank und ok erscheinen lässt. Bei den einen Pferden funktioniert das so für eine begrenzte Zeit, bis der nächste Krankheitsschub kommt. Bei anderen wird das äussere Erscheinungsbild immer "schlimmer". Das Pferd wird runder und runder. Ein Fettkamm lässt sich erkennen, wie auch Ablagerungen auf der Kruppe.



No Hoof, No Horse.


Der Huf ist eine Schleuse im metabolischen System des Pferdes. Alles an metabolischen Auffälligkeiten beginnt hier und endet auch hier. Der Titel-Spruch ist unter Pferdeleuten weit verbreitet. Dennoch werden Hufprobleme, so lange das Pferd "läuft", vielfach hinten angestellt. Diese Büchse der Pandora möchte man lieber nicht öffnen. Nur, in Wahrheit ist es keine Büchse. 😊

 

Der Pferdehuf wird oft durch ein Eisen korrigiert, statt die Statik des Hufes grundsätzlich zu verbessern.
Der Pferdehuf wird oft durch ein Eisen korrigiert, statt die Statik des Hufes grundsätzlich zu verbessern.

Der Huf ist sehr komplex und genial aufgebaut. Er besteht aus ca. 30 % harten Strukturen, wie Knochen und zu ca. 70% aus weicheren Strukturen, wie Horn, Weichteilen, Knorpel, Bändern, etc. Die inneren Hufstrukturen rund um das Hufbein sind in der Hornkapsel aufgehängt. Eine Lammelenschicht bildet eine reissverschlussähnliche Verbindung zwischen den inneren Strukturen und der Hornkapsel. Manche sprechen auch von einem Klettverschluss. Durch diese Aufhängung und seine Form ist der Huf bei maximaler Stabilität maximal beweglich. Beim Auftreten ist eine Stossdämpfung durch Abfederung über die Biegsamkeit des Horns und Beweglichkeit der Aufhängung möglich. Natürlich trägt dazu auch das Ballenpolster erheblich bei, wie die Huffunktion als Pumpe, bei der sich der Trachtenbereich weitet.

Ohne hier alle Funktionen des Hufs im Detail zu erläutern, möchte ich mehr darauf eingehen was passiert, wenn der Huf in ein Ungleichgewicht fällt. Ich werde nur ein Beispielszenario für das Verständnis der Vorgänge beschreiben. Das ist bei weitem nicht abschliessend und auch nicht in allen Einzelheiten aufgebröselt, das würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Nicht jedes Ungleichgewicht führt zu Hufrehe, aber stets zu Auffälligkeiten.

Aber zuerst zur Schleusenfunktion. Die Lamellenschicht ist stark durchblutet und mit sehr feinen Blutgefässen versorgt. Dadurch ergibt sich eine gedachte Engstelle, die empfindlich auf gewisse Einflüsse reagieren kann. Alles Blut im Körper eines Pferdes muss auch hier hindurch. Die Inhaltsstoffe dieses Blutes (und der Lymphe) beeinflussen wiederum das Hornwachstum und die Entgiftungsmöglichkeiten des Pferdes.

Es sollte also unser Ziel sein, dem Pferd eine Hufgesundheit zu ermöglichen, die dem Pferd die maximale Möglichkeit zugesteht mit den Hufen, durch eine gesunde Hornbildung, Giftstoffe loszuwerden.

Somit ist es naheliegend, dass Pferde mit Hufen, welche aus der Balance geraten sind, weniger Möglichkeiten haben, durch gesunde Hornbildung Giftstoffe loszuwerden. Denn beispielsweise ist das Hornwachstum durch zu viel Druck auf einzelne Hornstrukturen eingeschränkt. Druck führt zu Einblutungen, Schmerzen, Schonverhalten. Der Körper setzt umgehend andere Schwerpunkte, das Pferd muss fliehen können, es werden also z.B. zuerst die Einblutungen abgebaut, bevor man sich wieder den restlichen Giftstoffen widmen kann. Das perfekte System Pferd neigt dann zu Überbelastung, die metabolische Schleuse ist nicht mehr voll funktionsfähig, nach und nach betrifft das Problem den ganzen Körper. Ein "Stau" entsteht, der sich erst nach einer Weile deutlich optisch, auch weiter oben am Körper abzeichnet. Wir sehen einen Fettkamm, haben ein Pferd, dass sich nicht bewegen möchte, etc. Dann denken viele mein Pferd hat EMS.

Wir entziehen Nährstoffe, geben Tabletten und belasten damit das eh schon überlastete System noch weiter. Dann kann es passieren, wenn die Hufe nicht in Ordnung kommen, dass die metabolische Schleuse weiter abbaut. Der Huf sich nicht mehr helfen kann und einzelne Teile der Lammellenschicht kollabieren. Wir haben eine Hufrehe. Die gute Nachricht ist, das ist nur eines von vielen Szenarien, es dauert in der Regel einige Zeit, in der man immer noch eingreifen kann, und die Hufrehe kann geheilt werden. Aber es ist menschliches Versagen, dass unser Pferd erst in diese Lage kommt.

 

Wir sollten ein Ungleichgewicht bei den Hufen also ernst nehmen und die Hufe in Balance bringen oder bringen lassen.


Hier sieht man die Aufhängung der inneren Hufstrukturen. Quelle: Heike Veit
Hier sieht man die Aufhängung der inneren Hufstrukturen. Quelle: Heike Veit
Die einzelnen Lamellen sind gut erkennbar
Die einzelnen Lamellen sind gut erkennbar. Quelle: Heike Veit
Ein Blick ins Innere, tolle Erklärungen und Bilder im Buch von Heike Veit, das ich hier allen wärmstens empfehlen möchte. Quelle: siehe Verweis im Bild, Lindsey Field.
Ein Blick ins Innere, tolle Erklärungen und Bilder im Buch von Heike Veit, das ich hier allen wärmstens empfehlen möchte. Quelle: siehe Verweis im Bild, Lindsey Field.

Was hat nun das Gras damit zu tun?


Frisches Grün hat die Eigenschaft den Stoffwechsel zu aktivieren. Es gibt dem Pferd wertvolle Informationen über die Jahreszeit und den natürlichen Rhythmus in dem es sich befindet. Es enthält viele lebenswichtige Vitamine und Spurenelemente und bildet für das Pferd die Apotheke mit der es sich versorgen kann. Das Pferd entgiftet sich selbst im Rhythmus des Jahres durch Aufnahme dieser Informationen. Das ist gut so und hält es gesund. Ein Pferd muss also so viel wie möglich Zugang zu frischem Grün haben.

Wenn das Pferd mit einer seit langem existenten Hufimbalance auf eine schöne Weide darf, wird der Huf durch die angeschobenen Entgiftungsprozesse mehr beansprucht und arbeitet mehr. Je nach Hufbeschaffenheit und Pferdetyp, kann der Prozess der Hufrehe dadurch mehr zutage treten. Die Hufrehe war aber bereits vorher existent und wird erst jetzt vom Menschen wahrgenommen.

Ein Pferd mit gesunden Hufen wird mit dem Fressen von Gras keine Hufrehe bekommen. Im Gegenteil, es wird helfen die Giftstoffe aus dem Körper loszuwerden und sich selbst gesund zu erhalten, das Hufwachstum zu verbessern.

Auch ein Pferd mit Hufrehe braucht das Gras und die Nährstoffe von diversen Pflanzen zur Heilung. Nur weil man das Pferd vom Gras nimmt, heilt man keine Hufrehe. Es ist sogar eher kontraproduktiv. Eine korrekte Hufbearbeitung, gute Haltungsbedingungen und eine dem Nährstoffbedarf angepasste Fütterung ist das Ziel. Hufrehe wird danach nicht mehr auftreten. Mit dem Gras hat das also nicht viel zu tun, es ist nicht ursächlich für die metabolischen Probleme. Viel Bewegung ist immer positiv in Bezug auf den Stoffwechsel und kann dem Pferd helfen, z.B. durch Schwitzen ein Übermass an Giftstoffen ausscheiden zu können.













1 Kommentar


Wunderbarer Beitrag. Er eröffnet Fragen und regt zum Nachdenken an…

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